Kaum einer kann sich dem Charme der kleinen Wanderfalken entziehen, wenn er einen Blick in den Horst der Tiere werfen darf. Die zweite Reaktion in den Büros der Autobahn Westfalen ist ein wenig Stolz, dass es immer wieder Nachwuchs bei den Vögeln gibt. Großgezogen zum Beispiel an den hohen Talbrücken der A45 – und das, obwohl an einigen dieser Brücken inzwischen gebaut wird.
Nach Angaben des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) war der Wanderfalke im Jahr 1970 als Brutvogel in NRW praktisch ausgestorben. Das hat sich geändert. Die Bestände haben sich erholt. Dennoch gehört der Wanderfalke wie alle heimischen Greifvögel zu den besonders geschützten Vogelarten. Ein Umstand, der bei Planung, Bau und Unterhaltung von Autobahnen berücksichtigt werden muss. „Ohne den Blick auf die Natur können wir weder einen Brückenneubau noch den Ausbau der A45 auf sechs Spuren planen“, betont David Lemberg, der als Landespfleger in der Außenstelle Netphen der Autobahn-Niederlassung Westfalen den geschulten Blick auf die Natur wirft, Ausgleichsmaßnahmen plant und die Umsetzung begleitet. Dabei geraten neben den Greifvögeln auch Fledermäuse, Kleinsäuger oder Amphibien in den Fokus. „Wenn wir eine Art in ihrem Lebensraum beeinträchtigen, müssen wir vorab einen Ausgleich schaffen, damit die Natur weiter funktionieren kann“, erklärt Lemberg.
Bei den Wanderfalken bedeutete das zunächst, dass man Nistmöglichkeiten abseits der großen Brückenbaustellen schaffen wollte. Also wurden Nisthilfen zum Beispiel in Steinbrüchen installiert – oder an Brücken, an denen absehbar in den kommenden Jahren nicht gebaut wird. Dabei haben in den Anfängen Straßen.NRW und nun die Autobahn GmbH des Bundes immer eng mit der Arbeitsgemeinschaft Wanderfalkenschutz (AGW) des NABU zusammengearbeitet. „Diese Experten mit im Boot zu haben, hat uns bei unseren Planungen sehr geholfen“, verdeutlicht Lemberg. Und nicht nur der konkrete Rat hilft bei der Planung; der NABU unterstützt die Autobahn Westfalen auch bei hausinternen Fortbildungen.
Für die Autobahn-Planer und die Naturschützer überraschend haben sich die Falken durch die Bautätigkeit an inzwischen sieben A45-Brücken kaum stören lassen. „Die Tiere kommen gut mit dem Stress der Arbeiten zurecht“, bilanziert Alfred Raab, ehrenamtlicher Mitarbeiter der AG Wanderfalkenschutz NRW. An einem Bauwerk, das die Falken bislang noch nicht für sich entdeckt hatten, wollten sich die Vögel trotz reger Bautätigkeit neu ansiedeln. „Unsere Mitarbeiter beobachteten das ,Probesitzen‘ in einer Betonschale am Pfeilerkopf“, erinnert sich Lemberg. Eilig wurde in der Nähe eine Nisthilfe installiert, da das Pärchen am Pfeilerkopf nicht bleiben konnte. Doch dieses Angebot haben die Tiere nicht angenommen. Sie suchten sich einen anderen Brutplatz.
Wie beliebt die aussichtsreichen Plätze auf den Brückenpfeilern sind, zeigt der Bruterfolg: An einer der zahlreichen Nisthilfen, die die Autobahn Westfalen gemeinsam mit dem NABU angebracht hat, sind nun schon im vierten Jahr in Folge viele Jungfalken aufgewachsen. Bei einer Begehung durch den Brückenhohlkasten konnte eine Autobahn-Mitarbeiterin die Falken-Jungen des Jahrgangs 2021 fotografieren. In schwindelerregender Höhe schauten drei der vier Jungen frech in die Kamera, während die Eltern für Nahrungsnachschub sorgten.
Foto: Autobahn Westfalen